Märchen oder Wahrheit? Der Weg zur Heilung
- Michelle
- 30. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Apr.

Sind alle Märchen gelogen?
Diese Frage provoziert, lässt innehalten und zum Nachdenken anregen.
Doch was bedeutet es wirklich, an Märchen zu glauben?
Gibt es sie, diese Geschichten voller Liebe, Harmonie und Happy Ends?
Oder sind sie lediglich Fiktionen, die uns kurzzeitig in eine Welt des Unmöglichen entführen?
In einer kindlichen Vorstellung beinhalten Märchen eine rosarote Liebe wie aus Zuckerwatte.
Süß, weich, fluffig.
Die Liebe siegt über das Böse, und alle leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage.
Doch mit nüchternem Blick müssen wir erkennen: Dieses Bild mag im Märchen existieren, ist jedoch in der realen Welt wenig überlebensfähig.
Denn was vergessen wird in dieser rosa Zuckerwattevorstellung ist, dass wenn alles immer konfliktfrei und harmonisch wäre, wir uns als Individuen, als Seelen nicht entwickeln könnten.
Doch das ist es, was unsere Seele will.
Sie möchte sich entwickeln, sie möchte heilen.
Sie möchte sich selbst im Gegenüber erkennen.

Man sagt, dass das Unterbewusste sich immer den Partner aussucht, der das größte Heilungspotential für einen birgt.
Selbst diese Aussage könnte man romantisieren.
Doch was bedeutet Heilung?
Was braucht es, dass eine Wunde heilen kann?

Erst einmal müssen oder dürfen wir unsere Verletzungen wahrnehmen.
Manche sind sich ihrer bewusst und haben ein Pflaster darüber geklebt in der Hoffnung, dass Zeit alles heilt.
Wieder andere haben nicht einmal bemerkt, dass sie verletzt sind oder ihnen eine oder mehrere Wunden im Laufe ihres Lebens zugefügt wurde.
All das wird erst sichtbar, wenn ein Mensch in unser Leben tritt, welcher das Pflaster abreißt oder die Verletzungen erkennt und anspricht.
Denn das ist es, was es benötigt.
Es benötigt Bewusstsein darüber, was da ist, damit man diese Wunde versorgen kann, damit sie heilen kann.
Eigentlich eine sehr liebevolle Geste unseres Gegenübers, könnte man meinen.
Doch in Wahrheit reagieren wir selten dankbar.
In Wahrheit fühlen wir uns ertappt, verletzlicher als vorher, weil unsere Masken gefallen sind.
Wir fühlen uns ausgeliefert und überfordert, wir misstrauen unserem Gegenüber und stellen seine Absichten in Frage.

Was machen wir Menschen also?
Wir reagieren mit Rückzug, mit Angriff, versuchen den Anderen ebenfalls zu verletzen, wir wehren uns meist mit allen antrainierten Strategien, welche uns zur Verfügung stehen, um uns nicht mit der Heilung unserer Wunden auseinandersetzen zu müssen.
Manchmal beenden wir eine Beziehung, obwohl wir noch lieben.
Wir überzeugen uns selbst, dass es so besser sei.
Unser Verstand liefert uns tausend „logische“ Gründe, um den Schmerz der Vergangenheit nicht erneut erleben zu müssen.
Dabei sabotieren wir uns selbst, ohne es zu bemerken.
Dieses Verhalten führt zu noch mehr Verletzungen – sowohl bei uns selbst als auch bei den Menschen, die wir lieben.
Ein Gefühl der Distanz entsteht, und wir beginnen, an allem zu zweifeln: an unserem Partner, an der Liebe, sogar am Schicksal.
Es entwickelt sich eine Spirale, die immer wieder auf ähnliche Weise beginnt und endet. Nach und nach verlieren wir den Glauben an die Idee einer Märchenliebe.

Stellen wir uns für einen Moment eine neue Perspektive vor:
Was, wenn die wahre Liebe nicht nur konfliktfrei und harmonisch ist, sondern uns antreibt, unser wahres Selbst zu erkennen und zu wachsen?
Was, wenn das Schicksal – so wie der Begriff „geschicktes Heil“ suggeriert – uns gezielt mit den Herausforderungen konfrontiert, die wir zur Heilung benötigen?
Vielleicht möchtest du dir einmal folgende Fragen beantworten:
Was ist, wenn die Absicht deines Gegenübers niemals gegen dich war, sondern
ein Zeichen seiner Liebe, weil er möchte, dass du heilst?
Was ist, wenn es in Märchen in Wirklichkeit nicht darum geht, dass alles rosarot und einfach ist, sondern darum, dass durch Konflikte und durch Reibung erst echte Nähe und Verbundenheit möglich werden?
Was ist, wenn wahre Liebe dich dazu bringt Eigenverantwortung zu übernehmen, anstatt Schuld im Außen zu suchen?
Was wäre möglich, wenn wir nicht mehr in der verletzten inneren Kind Haltung agieren, Masken tragen und anerkennen, dass wir erwachsen sind, uns selbst halten können, für uns sorgen können und dass es absolut sicher ist, uns unserem Gegenüber authentisch zu zeigen, weil echte Liebe nicht verurteilt oder manipuliert, sondern unterstützt?
Wie verbunden und doch frei könnte eine Beziehung sein, wenn wir beginnen, uns unserer Muster und versteckten Anteile bewusst zu werden und einen Weg finden, diese zu heilen oder wenigstens die Verantwortung dafür übernehmen, anstatt die Menschen, die wir lieben, von uns zu stoßen, obwohl wir uns eigentlich Nähe wünschen?
Vielleicht handelt die Liebe, wie wir sie aus Märchen kennen, in Wahrheit von etwas viel Größerem als bloßer oberflächlicher Harmonie.
Märchen erzählen möglicherweise weniger von idyllischen Welten, sondern vielmehr von der Kraft und dem Mut, sich dem Leben in seiner ganzen Tiefe zu stellen.
Echte Liebe inspiriert und unterstützt uns nicht nur, sondern fordert auch unsere aktive Beteiligung.
Sie ist ein wertvolles Geschenk, das Eigenverantwortung, Aufrichtigkeit und die Fähigkeit zur Verletzlichkeit verlangt, um Beziehungen zu schaffen, die wirklich authentisch und lebendig sind.

Die schönsten Beziehungen entstehen, wenn wir den Mut finden, den schützenden Kokon zu verlassen, den wir aus Angst oder Gewohnheit geschaffen haben.
In diesem Augenblick entscheiden wir uns nicht nur für die Freiheit, sondern auch für eine Liebe, die uns inspiriert, stärkt und dazu bewegt, Verantwortung zu übernehmen.
Auf diese Weise beginnen wir, unser eigenes Märchen zu schreiben, ganz gleich, wie wir Liebe definieren.
Schmetterlinge wissen nicht, dass sie eines Tages fliegen können. Und doch wagen sie es.
Warum nicht auch du?

In Liebe, Michelle
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